Arbeitsgruppen

In Arbeitsgruppen tagen zu oft Menschen mit gleicher Sicht der Dinge, um sich gegenseitig zu bestätigen und zusammen herauszufinden, was sie zuvor schon gewusst haben. Das mag etwas überspitzt formuliert sein, jedenfalls ist es nicht, was wir von Arbeitsgruppen erwarten.

Dass Arbeitsgruppen zu einer gewissen Kohäsion der Meinungen und Positionen neigen, liegt nicht zuletzt an der Verwendung von Begriffen, denn Begriffe sind immer auch Träger von Narrationen. Soll ein Zusammenkommen und ein Austausch zwischen verschiedenen Positionen gelingen, so gilt es, sich als Erstes auf Begriffe und die Verwendung derselben innerhalb der Arbeit zu einigen. Manchmal ist bereits diese erste Stufe der Zusammenarbeit nicht von Erfolg gekrönt, und dann ergibt es keinen Sinn, die Zusammenarbeit zu vertiefen. Dann wieder, und dies sind die schönen Beispiele, öffnen Konsensbegriffe Denk- und Diskursräume, die die Beteiligten inspirieren und ihnen neue Perspektiven ermöglichen. Hierzu zwei Beispiele.

VEMS-Arbeitsgruppe Sterbehilfe

Die VEMS-Arbeitsgruppe Sterbehilfe ist aus einem Gefühl des Ungenügens entstanden. Der VEMS hat zum Thema «ärztliche Sterbehilfe und assistierter Suizid» ein Positionspapier ausgearbeitet und am 29. Oktober 2015 ein Symposium durchgeführt. Zu diesem Symposium haben wir bewusst auch Positionen eingeladen, die nicht unserer Position entsprachen. Wir haben uns davon einen regen Austausch versprochen. Das Ergebnis war allerdings ernüchternd, was uns bewogen hat, diesen Austausch fortan im Rahmen einer Arbeitsgruppe anzugehen. In dieser hatten wiederum verschiedene Disziplinen und Positionen Einsitz. Und dann ist etwas Unerwartetes passiert: Wir haben gemerkt, dass unsere eigene Position eine zu fundamentalistische war. Im Sinne eines Positionspapiers mochte dies wichtig und richtig gewesen sein, und wir haben dieses auch nicht neu aufgesetzt. Zur Klärung der praktischen Herausforderungen und Handlungsoptionen war unsere Position aber zu einseitig aus ärztlichem Berufsethos heraus gedacht. Zum anderen fehlte unserer Arbeitsgruppe aber auch die normative Kraft, ja nur schon die normative Legimitation, Regeln im Umgang mit den Fragestellungen zur Sterbehilfe und zum assistierten Suizid aufzustellen, wie wir das etwa bezüglich der Verträge in Ärztenetzwerken mit Budgetverantwortung in einer anderen VEMS-Arbeitsgruppe getan haben, mit einem entsprechenden Regelwerk. Worauf wir uns in der Gruppe indes einigen konnten, war, dass wir die offenen Fragen in einem Fragekatalog strukturiert haben, um damit anzuregen, dass die befugten Stellen diesen Fragen nachgehen, in der Absicht, dass ein Diskurs, der sich seit Jahren im Kreis dreht, neue Impulse erhält.

Denknetz-Arbeitsgruppe «Toxic Pharma»

In dieser Arbeitsgruppe war die Dynamik gerade umgekehrt: Die Gruppe ist auf uns zugekommen, uns mit unserer Erfahrung und Expertise bezüglich Kosten-Effektivitäts-Analysen von Arzneimitteln einzubringen. Wir haben dann schnell festgestellt, dass die Gruppe wenig Verständnis davon hatte, wie die behandelnde und forschende Medizin mit der forschenden und produzierenden Pharmaindustrie zusammenarbeitet. Auch haben wir diesbezüglich eine gewisse Voreingenommenheit wahrgenommen, deren Ursache wir in Wissenslücken sahen. Die Idee einer staatlichen Pharmaindustrie jedenfalls schien uns utopisch und wenig realistisch. Doch wie geht das überhaupt, Medikamente entwickeln und vermarkten? Schulterzucken. Also haben wir angeregt, CEOs von Pharmafirmen einzuladen, der Gruppe in Hearings Rede und Antwort zu stehen. Das wurde positiv aufgenommen, und so haben wir diese Hearings organisiert. Sie haben geholfen, die Positionen der Gruppe etwas weniger fundamentalistisch auszugestalten, realistischer und weniger idealistisch, wie das erarbeitete Positionspapier zeigt. Uns andererseits hat der Austausch in der Gruppe angeregt, unsere Gedanken zum teilweise tatsächlich existierenden Problem toxischer Arzneimittelpreise zu vertiefen. Wir haben ein Modell ausgearbeitet, wie in diesen Fällen der Preis jeweils dem individuellen Nutzen angepasst würde, um den Spagat zwischen den Interessen zu meistern und allen Patientinnen und Patienten eine Behandlung zu einem fairen Preis zu ermöglichen. Sie finden unser Papier hier. Wir haben es an verschiedene Pharmafirmen verschickt und in der Folge einige spannende Diskussionen ermöglicht.

Diese zwei Beispiele dürften aufzeigen, wie wir an Arbeitsgruppen herangehen und wie wir uns im Rahmen derselben engagieren. Neben solchen Engagements des VEMS als Organisation sind natürlich auch unsere Mitglieder in Arbeitsgruppen aktiv, so etwa unser Präsident Michel Romanens in der «Taskforce Atherosclerosis Imaging» und in verschiedenen anderen Arbeitsgruppen. Zögern Sie also nicht, uns bei Bedarf anzufragen, auch bezüglich der Mitarbeit in Arbeitsgruppen von Firmen und anderen kommerziellen Organisationen. Wenn wir niemanden im Team haben, der passt, dann bemühen wir uns, eine passende Persönlichkeit zu identifizieren und zu vermitteln.