Problematik Recht

Welche rechtlichen Folgen kann es haben, mit einem fehlerhaften Medizinprodukt nötige Behandlungen zu verhindern?

Wenn, wie dies im Diesel-Skandal passiert ist, die Software eines Autos eine Umweltverträglichkeit suggeriert, die realiter gar nicht gegeben ist, dann hat dies Schadensersatzklagen zur Folge. Was ist nun aber, wenn ein Risikorechner das Krankheitsrisiko geringer einschätzt, als es realiter ist? Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte werden ihren Patientinnen und Patienten auf der Basis der falschen Einschätzung eine nötige Therapie unter Umständen nicht empfehlen oder empfehlen, eine solche abzubrechen. Erleiden diese in der Folge vermeidbare Krankheiten oder gar einen Todesfall, so stellt sich die Frage der Haftung, einerseits bezüglich der Kosten der Therapie, andererseits bezüglich des Ersatzes für den erlittenen Schaden.

Der VEMS hat zur Abklärung der diesbezüglichen Rechtslage am Beispiel des Risikorechners der AGLA und des Risikorechners HerzCheck der Schweizerischen Herzstiftung bei Prof. Dr. Ueli Kieser ein Rechtsgutachten eingeholt. Prof. Kieser schreibt: «Es geht nach Art. 45 Abs. 3 HMG um die grundlegenden Anforderungen, um die Regeln der Klassifizierung und um die Sprachen für die Produktinformation. Wer ein Medizinprodukt in Verkehr bringt, muss nach Art. 46 Abs. 1 HMG nachweisen, dass die erforderlichen Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt worden sind. Art. 47 Abs. 1 HMG schreibt ein Produktebeobachtungssystem vor. Sodann legt Art. 48 HMG Regelungen zum Schutz der Gesundheit fest. Es müssen nach Art. 49 Abs. 1 HMG alle Massnahmen getroffen werden, welche für die Erhaltung der Leistung und der Sicherheit des Medizinprodukts erforderlich sind. Schliesslich gelten nach Art. 51 HMG besondere Regelungen für die Werbung.» Jede Studie, jede Hochrechnung, jede Risiko- und Bedarfseinschätzung etc., die einen Einfluss auf medizinische Behandlungsentscheide hat, ist ein Medizinprodukt und unterliegt ergo diesbezüglichem Recht. Autorinnen und Autoren, die solche mathematisch-statistischen Instrumente ohne die gebotene Sorgfalt erstellen oder gar wissentlich und willentlich Aussagen zu Kalkulationen solcherart manipulieren, dass sie Fehleinschätzungen fabrizieren, bringen sich in einen Konflikt mit geltendem Recht und müssen mit entsprechenden Straf- und Zivilklagen rechnen. Dasselbe gilt für Ethik und Politik, wenn die Verantwortlichen, obwohl sie über die Mangelhaftigkeit einer solchen Kalkulation in Kenntnis gesetzt wurden, es versäumen, geeignete Schritte zur Richtigstellung der Sachverhalte in die Wege zu leiten.